Kastration aus Sicht ...

...der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT).

Stellungnahme der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT)


Kastration von Hündinnen und Rüden


Kastration und Sterilisation sind unterschiedliche Eingriffe, die bei beiden Geschlechtern durchgeführt
werden können. Die Kastration bezeichnet die Entfernung der Keimdrüsen (Hoden oder Eierstöcke). Bei
der Sterilisation hingegen werden die Ei- bzw. Samenleiter durchtrennt - die hormonelle Funktion der
Keimdrüsen bleibt erhalten, das Tier ist jedoch unfruchtbar. In dieser Stellungnahme wird ausschließlich
auf die Kastration von Hündinnen und Rüden eingegangen.


Einleitung
Die chirurgische Kastration ist ein häufig durchgeführter operativer Eingriff bei Hunden. Die Gründe für
einen solchen Eingriff sind vielfältig. Gemäß § 6 Tierschutzgesetz1 ist dieser als Amputation zu verstehen
und potentielle Folgen einer Kastration sind zu berücksichtigen. Halterinnen und Halter müssen durch
behandelnde Tierärztinnen und Tierärzte im Vorfeld ausführlich über die Risiken des Eingriffs, sowie
mögliche resultierende Folgen, aufgeklärt werden. Anschließend soll eine kurze Übersicht über den
rechtlichen Hintergrund sowie tierschutzrelevante Aspekte gegeben werden.


Rechtlicher Hintergrund
Nach § 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG)1 darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund
Schmerzen, Leiden und Schäden zufügen. Nach § 6 Abs. 1 TierSchG ist das vollständige oder teilweise
Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von
Organen oder Geweben eines Wirbeltieres verboten. Dieses grundsätzliche Verbot gilt nicht, wenn der
Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a). Auch gilt das Verbot nicht,
wenn eine unkontrollierte Fortpflanzung verhindert oder - soweit tierärztliche Bedenken nicht
entgegenstehen - zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird (§ 6 Abs. 1 Nr. 5).


1 "Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 2
Absatz 20 des Gesetzes vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2752) geändert worden ist"
Im Sinne dieser beiden Paragraphen fällt auch die chirurgische Kastration eines Hundes, bei welcher
Organe (mind. die Eierstöcke oder Hoden, ggf. der Uterus) teilweise oder vollständig entfernt werden
unter das grundsätzliche Amputationsverbot des Tierschutzgesetzes. Das bedeutet, dass der Eingriff einer
chirurgischen Kastration aus medizinischer und juristischer Sicht nur nach gründlicher Abwägung aller
resultierender Vor- und Nachteile für das Einzeltier durch die behandelnden Tierärztinnen und Tierärzte
unter der Berücksichtigung der im § 6 genannten Ausnahmen, möglich ist. Diese Ausnahmen sollen kurz
erläutert werden.


1. „Tierärztliche Indikation“: Eine tierärztliche Indikation liegt dann vor, wenn es im Rahmen einer
anerkannten Heilbehandlung zur Gesunderhaltung und/oder zum Abwenden von Schmerzen, Leiden oder
Schäden eines bestimmten Tieres unerlässlich ist, einen Eingriff vorzunehmen, der die Unfruchtbarkeit des
betreffenden Tieres zur Folge hat. Unter diesen Voraussetzungen ist eine chirurgische Kastration unstrittig
und der Eingriff erlaubt.2 Beispiele für eine entsprechend vorliegende "tierärztliche Indikation“ sind
Gebärmuttervereiterungen, Hodentumore oder abdominaler Kryptorchismus. Erkrankungen präventiv
vorzubeugen, wie beispielsweise bei der Kastration der Hündin, allein begründet zur Vorbeugung von
beispielsweise Gesäugetumoren, fallen nicht grundsätzlich unter die tierärztliche Indikation und
rechtfertigen demnach auch nicht den Eingriff.


2. „Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung“: Wenn Gründe des Tierschutzes, des Naturschutzes,
des Jagdschutzes und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung es erfordern, ist auch eine Kastration zur
Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung gerechtfertigt3. Unkontrolliert bedeutet, dass eine
unerwünschte Fortpflanzung nicht durch Kontrolle der Halterinnen und Halter verhindert werden kann.
Bei Freigängerkatzen ist die Indikation somit unstrittig und der Eingriff aus Tierschutzsicht sinnvoll und
wichtig. Die Ausnahmeregelung kann jedoch nicht generell und pauschal auf Hunde übertragen werden,
denn grundsätzlich ist bei privat gehaltenen Hunden in Deutschland eine Verhinderung der Fortpflanzung
auch nicht invasiv, d.h. ohne operativen Eingriff, zuverlässig möglich. Zum Beispiel durch Beaufsichtigung,
Leinenführung oder die zeitweise Trennung von intakten männlichen und weiblichen Tieren. Nach
tierärztlicher Beratung ist auch eine zeitliche begrenzte und reversible medikamentöse
Unfruchtbarmachung möglich.


3. „zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres“: Wenn ein Unfruchtbarmachen eines Wirbeltieres die
weitere Nutzung oder Haltung wieder ermöglicht, ist sie sofern keine tierärztlichen Bedenken
entgegenstehen, zulässig. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur
Unfruchtbarmachung im Rahmen der Gefahrenabwehr für Hunde bestimmter Rassezugehörigkeit vorliegt,
wie bspw. in einigen Landeshundegesetzen. Stellen verhaltenstechnische Aspekte den Grund für eine
Kastration dar, sollte ein auf Verhalten spezialisierter Tierarzt, bzw. eine spezialisierte Tierärztin, zu Rate
gezogen werden, da eine Kastration auch das Gegenteil des gewünschten Effektes bzw. eine Verstärkung
des unerwünschten Verhaltens bewirken kann. Bei Rüden kann der Effekt einer Kastration vorab mittels
einer reversiblen medikamentösen Unfruchtbarmachung überprüft werden. Jedoch ist zu bedenken, dass
das hormonell bedingte Verhalten kurze Zeit nach der Injektion durch einen initialen Testosteronanstieg
kurzzeitig vermehrt gezeigt werden kann. Die Notwendigkeit einer chirurgischen Kastration zur weiteren
Nutzung oder Haltung des Tieres unterliegt demnach der Einschätzung eines Tierarztes bzw. einer
Tierärztin (in enger Rücksprache mit dem Besitzer bzw. der Besitzerin und ggf. einem auf Verhalten

spezialisierten Tierarzt bzw. Tierärztin), der in diesem Zuge gesundheitliche aber auch verhaltensbedingte
Aspekte gegenüber dem Eingriff abwägen muss.


2 Hirt Maisack Moritz Felde, Tierschutzgesetz, Kommentar, 4. Auflage, München 2023, § 6 Rn. 5
3 Hirt Maisack Moritz Felde, Tierschutzgesetz, Kommentar, 4. Auflage, München, § 6 Rn. 32



Tierschutzrelevante Aspekte
Bei der chirurgischen Kastration ist zu berücksichtigen, dass jede Operation mit potentiellen Risiken durch
die notwendige Vollnarkose, postoperative Schmerzen und deren Management sowie potentiellen
Infektionen durch die entstandene Wunde verbunden sind, auch wenn das Risiko für ein gesundes Tier als
gering einzustufen und postoperativer Wundschmerz gut behandelbar ist. Die Entfernung der Keimdrüsen
zieht jedoch einen nicht unerheblichen Eingriff in das Hormonsystem des Tiers nach sich.
Wissenschaftliche Studien beschäftigen sich seit vielen Jahren mit den Auswirkungen von Kastrationen. In
den letzten Jahren rücken vermehrt negative gesundheitliche Folgen bzw. unerwünschte Nebenwirkungen
in den Fokus, die durch eine Kastration bedingt sein können. Dies betrifft z.B. Harninkontinenz bei
Hündinnen, höhere Risiken für das Auftreten orthopädischer Erkrankungen, gesteigerter Fressdrang,
Fellveränderungen sowie unerwünschte Auswirkungen auf das Verhalten etc. auch in Abhängigkeit von
der jeweiligen Rasse. Diese möglichen Folgen sind aus Tierschutzsicht immer zu berücksichtigen.
Auch aus verhaltensmedizinischer Sicht ist die Kastration keine „Pauschallösung“, wurde doch in den
vergangenen Jahrzehnten gerne schnell zu einer Kastration geraten, wenn ein Hund z. B. vermehrt
aggressives Verhalten gegen Artgenossen zeigte. Verhaltensweisen sind jedoch nicht nur durch
Sexualhormone beeinflusst, sondern resultieren insbesondere auch aus Lernerfahrungen. Unüberlegte
Kastrationen können für den Menschen problematische Verhaltensweisen des Hundes sogar noch
verstärken. Daher sollte bei auftretenden Problemen im Umgang mit dem Hund zuerst ein bzw. eine auf
Verhalten spezialisierter Tierarzt bzw. spezialisierte Tierärztin zurate gezogen werden. Bei Rüden, die sich
durch übersteigertes Sexualverhalten einer Haltung mit Freilauf immer wieder entziehen und dadurch
auch eine Verletzungsgefahr für Tier und Mensch (z.B. über Autounfälle) darstellen, ist eine Kastration in
enger Verbindung mit einer Verhaltenstherapie durchaus in Erwägung zu ziehen, falls ein entsprechendes
Rückruftraining vorher zu keinem Erfolg geführt hat. Bei im Verhalten problematischen Hunden ersetzt die
Kastration nie die Notwendigkeit professioneller Trainingsmaßnahmen, die auch nach einer Kastration
fortgeführt werden müssen.


Bei weiblichen Hündinnen tritt physiologischerweise nach jeder Läufigkeit die sogenannte
Scheinträchtigkeit ein, welche mit körperlichen (bspw. Anschwellen des Gesäuges), sowie
verhaltensbedingten Veränderungen (bspw. Nestbauverhalten, gesteigerte Aggressivität) einhergehen
kann. Bei manchen Hündinnen können diese Veränderungen wiederholt so stark auftreten, dass die Tiere
in dieser Phase leiden - hier kann eine Kastration aus tiermedizinischer und Tierschutzsicht sinnvoll sein.
Grundsätzlich verhindert die Entfernung der Keimdrüsen ein potentielles Erkranken dieser Organe (bspw.
Hoden- oder Ovarialtumore) und reduziert das Risiko für das Auftreten von weiteren Erkrankungen
anderer primärer und sekundärer Geschlechtsorgane. So können Gebärmuttervereiterungen im weiteren
Verlauf des Lebens weitestgehend ausgeschlossen werden und es besteht ein gewisser protektiver Effekt
für das Auftreten von Gesäugetumoren. Dieser fällt gemäß Auswertung der bislang erhobenen
wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema jedoch geringer aus, als allgemein angenommen. Die bislang
vorliegenden Studien weisen zum Teil erhebliche Mängel im Studienaufbau auf und der protektive Effekt
erscheint dadurch überbewertet. Männliche chirurgisch kastrierte Tiere leiden i.d.R. seltener unter
gutartigen Prostatavergrößerungen mit entsprechender Symptomatik.
Nur für bestimmte tiermedizinische Indikationen ist eine Kastration unabdingbar und lebensrettend
(bspw. Gebärmuttervereiterung, Hodentorsion).
Eine Kastration männlicher oder weiblicher Hunde vor Eintritt der Geschlechtsreife (ausgenommen es
liegt eine tiermedizinische Indikation vor) kann Auswirkungen auf Wachstum und Entwicklung, sowie das
Verhalten der Tiere und potenziell langfristige gesundheitliche Folgen, wie bspw. Gelenkprobleme haben
und ist daher grundsätzlich abzulehnen.

 


Tiere aus dem Auslandstierschutz
Für eine nachhaltige und tierschutzgerechte Lösung der Straßentierproblematik im Ausland werden in
vielen Ländern Kastrationsprojekte durchgeführt und die Tiere anschließend im Herkunftsgebiet wieder
freigelassen. In manchen Ländern werden die Tiere allerdings auch in Tierheimen untergebracht und dort
bspw. im Rahmen einer gemischtgeschlechtlichen Gruppenhaltung kastriert und nach Deutschland
importiert. Eine reguläre Kastration dieser Tiere hat also in dieser Hinsicht eine Rechtfertigung, da es
aufgrund der schwierigen Lage vor Ort (in vielen Ländern gibt es nur die Tötung der Tiere als Alternative,
da das Freilassen nach der Kastration nicht erlaubt ist) sowie durch Management-Maßnahmen im Tierheim
notwendig sein kann.


Werden jedoch unkastrierte Hunde nach Deutschland verbracht, enthält der Vermittlungsvertrag in
manchen Fällen eine Kastrationsverpflichtung des Hundes in Deutschland. Dies ist aus rechtlicher Sicht
nicht zulässig und aus den o.g. Gründen pauschal nicht zu vertreten. Ob eine Kastration bei unkastrierten
Hunden aus dem Ausland notwendig ist, wird wie oben beschrieben im tierärztlich begründeten Einzelfall
zu entscheiden sein.


Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund der aufgeführten rechtlichen Hintergründe sowie wissenschaftlichen Daten zu den
Auswirkungen einer Kastration ist abschließend festzuhalten, dass die Kastration eines Hundes in
Deutschland stets eine Einzelfallentscheidung nach gründlicher tier- und verhaltensmedizinischer
Abwägung der für das Tier resultierenden Vor- und Nachteile ist. Über potentielle negative Auswirkungen
einer Kastration sollte durch Tierärzte und Tierärztinnen stets umfassend aufgeklärt und - sofern wirklich
notwendig - die für das Tier zunächst schonendste Methode zur Unfruchtbarmachung angewendet
werden.
Die Kastration von Hunden vor Eintritt der Geschlechtsreife ist grundsätzlich abzulehnen. Es ist medizinisch
nur schwer zu rechtfertigen, ein gesundes Organ prophylaktisch zu entfernen, das zur physiologischen
Ausreifung essenziell ist.


Im Ausland ist die Kastration frei lebender Hunde (Straßenhunde) aus Tierschutzsicht gerechtfertigt und
als Managementmaßnahme der unkontrollierten Fortpflanzung von Straßentiere mit resultierenden
Risikofaktoren für Mensch und Tier unabdingbar. Adoptanten bzw. Adoptantinnen nicht kastrierter
Importhunde aus dem Ausland vertraglich für eine Kastration des Tieres in Deutschland zu verpflichten ist
rechtlich nicht zulässig. Für diese Tiere ist ebenfalls im Einzelfall nach tier- sowie verhaltensmedizinischer
Abwägung durch eine Tierärztin bzw. Tierarzt zu entscheiden.


Literaturverzeichnis
Arlt, S; Wehrend, A; Reichler, Iris M. Kastration der Hündin – neue und alte Erkenntnisse zu Vor- und
Nachteilen. Tierärztliche Praxis, 2017; 45(4):253-263.
Beauvais W, Cardwell JM, Brodbelt DC. The effect of neutering on the risk of mammary tumours in dogs--
a systematic review. J Small Anim Pract. 2012 Jun;53(6):314-22. doi: 10.1111/j.1748-5827.2011.01220.x.
PMID: 22647210.
Kuhne F. Kastration von Hunden aus Sicht der Tierverhaltenstherapie. Tierärztl Prax 2012; 40 (K): 140–145.
Pegram C, O'Neill DG, Church DB, Hall J, Owen L, Brodbelt DC. Spaying and urinary incontinence in bitches
under UK primary veterinary care: a case-control study. J Small Anim Pract. 2019 Jul;60(7):395-403. doi:
10.1111/jsap.13014. Epub 2019 Apr 29. PMID: 31037739; PMCID: PMC6850460.
Möbius, Die Kastration beim Hund – Indikationen unter dem Blickwinkel des Tier-schutzgesetzes, 2009,
Enke Verlag kleintier konkret, S1: 13-18
Hart LA, Hart BL. An Ancient Practice but a New Paradigm: Personal Choice for the Age to Spay or Neuter
a Dog. Front Vet Sci. 2021 Mar 19;8:603257. doi: 10.3389/fvets.2021.603257. PMID: 33816584; PMCID:
PMC8017224.
Hart BL, Hart LA, Thigpen AP, Willits NH. Assisting Decision-Making on Age of Neutering for 35 Breeds of
Dogs: Associated Joint Disorders, Cancers, and Urinary Incontinence. Front Vet Sci. 2020 Jul 7;7:388. doi:
10.3389/fvets.2020.00388. PMID: 32733924; PMCID: PMC7359819.
Strodtbeck S, Sexualverhalten - Hormone - Kastration bei Hunden: Let´s talk about sex: Müller
Rüschlikon; 3. Edition 2024 ISBN: 978-3275022755