Predatory Drift

„Predatory Drift“ bedeutet grob gesagt so etwas wie „Abschweifen ins Jagdverhalten“ ...

 
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und bleibt im folgenden Text der Einfachheit halber in der Originalsprache Englisch stehen. Ebenso auch „seeking“. Der Begriff beschreibt den biologischen Schaltkreis im Gehirn, der für triebhaftes Verhalten verantwortlich ist, also alles beinhaltet, wofür Hunde sich interessieren und was sie motiviert, z.B. Futter, Sexualpartner, Jagdverhalten (Beute), Erkundung der Umwelt oder Schutz bei Ängsten.  

 

 PREDATORY DRIFT – holen Sie sich einen Kaffee (und vielleicht ein Notizbuch)  

 

Gestern ging ich die South Staffordshire Railway herunter, als ich für ein Gespräch mit zwei Hundebesitzern anhielt und wir auf das Thema von großen Hunden, die mit kleinen Hunden spielen, zu sprechen kamen. (...) 

Auch aus den USA hat mich eine Person aus einer anderen Gruppe zu diesem Thema befragt, da sich ein Vorfall ereignete, als sie zu Hause einen großen Deutschen Schäferhund und einen kleinen Terrier zusammen untergebracht hatte.

 

Aus SPIEL wurde KEIN SPIEL, und dieser Text wurde geschrieben, um ihr zu helfen, dem Schäferhundbesitzer zu erklären, was passiert war, und ihn für die Zukunft zu warnen.   

 

Obwohl dieser Text für alle ist, habe ich den wissenschaftlichen Hintergrund für die Trainer unter Ihnen hinzugefügt. Sie können dies gerne teilen, um die Arbeit mit Ihren Kunden zu unterstützen.   

 

Obwohl der Name „predatory drift“ eine graduelle Verschiebung vom SPIEL–Schaltkreis im Gehirn zum SEEKING  -Schaltkreis impliziert, ist dies tatsächlich nicht der Fall (Panksepp und Biven, 2012).

Es ist ein unmittelbares Umschalten, das mit sichtbaren physiologischen Signalen einhergeht, die Vorläufer zum Jagdverhalten sind.

Verschiedene Hunderassen sind in ihren Gehirnen unterschiedlich verdrahtet, ein Resultat aus selektiven Zuchtprozessen (Coppinger und Coppinger, 2001). 

 

Obwohl Sie Hunde einer Rasse dazu trainieren können, eine Tätigkeit auszuführen, für die sie nicht “prädisponiert” sind, wie zum Beispiel einen Collie dazu, einen Apport auszuführen, gibt es eine genetische Prädisposition und eine „body conformity“ für diese spezielle Fähigkeit (Coppinger and Coppinger, 2001). 

 

Demnach kann ein Collie zwar dazu trainiert werden, einen Apport aus dem Wasser auszuführen, doch hat er nicht die passende „body conformitiy“ im Sinne von Körperanpassung und wird die Kälte mehr spüren als ein Retriever, der speziell dazu gezüchtet wurde.   

 

Schauen wir uns SPIEL und SEEKING an.  

 

SPIEL 

Nach Panksepp und Biven (2012) ist der Gehirnschaltkreis SPIEL bei Hunden aktiv, die entspannt und glücklich sind. SPIEL findet nicht statt bei Hunger, Durst, Schmerz, Unbehagen oder Bedrohung.   

Wenn der Hund Kummer, Wut, Frustration, Angst oder Furcht empfindet, wird man kein SPIEL sehen.   

Auch durch einen Überschuss an Dopamin wird SPIEL behindert.  

 

SPIELVERHALTEN kann man an Folgendem erkennen:

  • Spielsignale werden durch die gesamte SPIEL-Session hindurch gezeigt, beispielsweise Spielgesicht, Vorderkörpertiefstellung
  • Weitschweifige, übertriebene, lockere Bewegungen – Sie können dies gut bei Welpen sehen, die springen und Sätze machen
  • Entspannte Mimik und Körperhaltung 
  • Fragmentierte, unvollständige Verhaltensweisen
  • Einbeziehung anderer Objekte, zum Beispiel von Spielzeugen
  • Schnelle Reaktionen auf die Situation, die sehr reflexartig wirken

 

SPIEL setzt etwas Dopamin und Oxytocin frei, aber auch andere Opioide und Neurotransmitter wie Glutamat und Acetylcholin.  

 

SPIEL ist extrem nützlich für Hunde, um die Emotionen anderer Hunde (oder ihrer Besitzer) kennenzulernen und kognitive Fähigkeiten zu entwickeln. Es unterstützt Hunde beim Aufbau und der Aufrechterhaltung von Beziehungen und bei der kooperativen Arbeit.  

 

Bei einer großen Gruppe von Familienhunden oder sehr familiären Hunden kann das Spiel überschwänglich und mit viel Raufen und Toben verbunden sein.

Das ist üblicherweise nicht der Fall bei Hunden, die sich nicht kennen oder sich nur gelegentlich zum Spielen treffen.

Falls es auftritt, hat der Hund möglicherweise keine „sozialen Fähigkeiten“ oder er kennt die „Sprache des Hundes“ nicht.  

 

SPIEL hilft Welpen und jungen Hunden bei dem Prozess, ihre nicht-sozialen Fähigkeiten aufzubauen. Diese können oft in Sequenzen des Jagdverhaltens wahrgenommen werden, jedoch werden diese unvollständig oder in anderer Reihenfolge gezeigt. Spielzeit ist Zeit zum Üben.  

 

Wenn dann ein größerer mit einem kleineren Hund spielt (jedoch nicht immer), kann es zu einer Situation der Überstimulation kommen, bei welcher der größere Hund ins SEEKING umschaltet. Damit einher geht ein Dopaminschub ins System und es gibt eine „Alarmerregung“ ohne eine bestimmte Emotion bei diesem Typ des SEEKING-Verhaltens.   

 

SEEKING-Verhalten wird durch Dopamin gesteuert und unterstützt das „predatory motor pattern“ (PMP) des Hundes, das „räuberische Verhaltensmuster“, kurz Jagdverhalten. Es ist nicht die "Belohnung" oder "Verstärkung", die wichtig ist, sondern der “SEEKING”-Teil des Verhaltensmusters. SEEKING kann mit anderen Systemen verbunden sein, insbesondere mit denen des emotionalen Systems.  

 

Ein Hund im SEEKING (denken Sie an den Labrador, dem Sie ein Stück Wurst in die Büsche geschmissen haben), ist hochmotiviert, hoch enthusiastisch, denn SEEKING unterstützt den Entdeckerdrang und die Neugier.   

 

Das Verhaltensmuster des Jagens hängt vom Typ des Hundes oder Mixes ab, den Sie vor sich haben.  

 

Die gesamte Jagdsequenz sieht so aus: 

Orientieren – Fixieren –Hetzen – Packen – Töten – Zerlegen – Fressen    

 

Bei einem Border Collie sind die folgenden Jagdsequenzen über Jahre hinweg herausgezüchtet worden und sind überdurchschnittlich ausgeprägt (in Großbuchstaben):  

Orientieren - FIXIEREN – HETZEN – Packen – Töten – Zerlegen – Fressen  

 

Ein Border Collie, der packt, hat „versagt“. Normalerweise endet er in den Händen von Haustierhaltern… und dann denken Sie an die Kinder und Hundegruppen in Parks! Aber das ist eine andere Geschichte.  

 

Betrachtet man zum Beispiel den Deutschen Schäferhund, sind einige Linien Arbeitslinien, also was genau war ursprünglich ihr Job? In den 1850ern wurden Hunde gezüchtet, um einen Job zu verrichten.  

Der UK Kennel Club hatte 1919 54 Deutsche Schäferhunde registriert. Die Hunde waren zum Hüten gezüchtet und dazu, die Schafe und womöglich auch den Schäfer zu beschützen!   

 

Die Jagdsequenz bei einem Deutschen Schäferhund mag daher so aussehen (Coppinger and Coppinger, 2001; Serpell, 2005), dass die HETZEN- und PACKEN-Teile speziell herausgezüchtet wurden:   

          Orientieren – Fixieren – HETZEN – PACKEN – Töten – Zerlegen – Fressen  

 

Was bedeutet das für Sie?  

 

In jeder Situation, in der Hunde SPIELEN, kann der Hund vom SPIEL zum SEEKING umschalten, das nennt man PREDATORY DRIFT, und das hat nichts mit dem Driften in dem Film „The Fast and the Furious (Tokyo)“ zu tun.   

 

Dies passiert besonders häufig, wenn größere mit kleineren Hunden spielen, der Erregungslevel steigt, damit geht ein Ansteigen des Dopamins einher, das jeden Teil der Jagdsequenz unterstützt – und BUMM – gibt es ein Umschalten.  

 

Dies mag passieren, wenn der kleinere Hund quietscht, es kann durch Frustration sein, weil sie den kleineren nicht fangen können, oder generell durch einen Anstieg des Erregungslevels während des SPIELS.   

Der SPIEL-Schaltkreis schaltet ab und SEEKING schaltet ein.   

 

Es gibt häufig Signale in der Körpersprache von den o.g. Signalen für Spielverhalten zu den folgenden: 

  • Lippen lecken
  • Intensives Anstarren
  • Festes Maul
  • Vorwärtsbewegung des Körpers
  • Vorstehen
  • Änderung der Atmung
  • Steife Rute
  • Ohren nach vorne ausgerichtet und steif
  • Erstarren
  • Maul und Gesicht sind meist angespannt, obwohl die Zunge heraushängen kann, ist sie in diesem Fall nicht weich und spatelförmig am Ende
  • Es kann ein Lauern in Vorbereitung der Jagd involvieren. Manchmal kann ein Sitz mit nach vorne gebogenem Kopf dabei sein 

 

Nun haben einige Deutsche Schäferhunde keine Beißhemmung (sie tendieren dazu, mit der Nase zu stupsen, oder mit offenem Maul nach Nacken, Schultern oder sogar nach den Hinterbeinen zu schnappen). Das ist das PACKEN in den Sequenzen ihres Jagdverhaltens.  

Zudem haben einige Zuchtlinien der Deutschen Schäferhunde übertriebenes Packen herausgezüchtet, was ihre Nutzung in der Sicherheitsarbeit und Beißarbeit etc. ermöglicht.   

 

Bei einem ähnlich großen Hund ist das okay, da eine „Kosten-Nutzen-Analyse“ stattfindet, zwischen der Verletzung eines größeren Hundes und den Konsequenzen, die dies für den SEEKER haben kann.  

Bei einem kleineren Hund kann es bedeuten, dass der größere Hund einigen Schaden anrichtet. Das liegt zum einen an der Größe, aber auch an den Geräuschen, die die „Beute“ macht, wenn der größere Hund schnappt. 

 

Wenn der Wechsel von SPIEL zum SEEKING stattfindet, ist der Hund NICHT emotional, er ist erregt, aber nicht emotional. Der Hund reagiert dann nicht auf Rückruf… er ist nur fokussiert auf seine BEUTE!  

 

Die Jagdsequenzen sind eine in hohem Maße selbstbelohnende angeborene Reihe von Verhaltensweisen, da in jeder Sequenz Dopamin ausgeschüttet wird. 

 

Sobald ein Hund die Grenze übertritt und einen anderen Hund in diesem Prozess Verletzungen zufügt, ist bei Hundebegegnungen zukünftig Vorsicht geboten, und ich meine wirklich VORSICHT.   

SEEKING ist hochgradig selbstbestärkend, wenn die Jagsequenzen einmal komplettiert wurden. Es wird belohnender sein als das Steak, das Sie in Händen halten!  

 

Also, was tun Sie, wenn Ihr Hund ins Jagdverhalten gefallen ist und es einen unglücklichen Ausgang gab.  

 

VORSICHTSMAßNAHMEN 

 

  • Führen Sie den Maulkorb auf positive Weise ein. Ein Baskerville-Maulkorb, der durch belohnungsbasiertes Lernen eingeführt wird, ist von Vorteil, um zu verhindern, dass der Hund seine Zähne einsetzt. (Chirag Patel hat dazu ein tolles Video)
  • Verwenden Sie ein Geschirr und eine lange Leine zur Kontrolle in Situationen, in denen Sie auf Wild oder kleine Hunde treffen könnten. 
  • Trainieren Sie den Rückruf und festigen Sie ihn.
  • Vermeiden Sie es, Familien- oder miteinander vertraute Hunde unbeaufsichtigt zusammen zu lassen. Verwenden Sie bei Bedarf einen Zwinger, eine Hundebox oder einen anderen Raum, in dem sich der Hund entspannen und ausruhen kann, wenn die Betreuer nicht anwesend sind.
  • Suchen Sie die Hilfe eines POSITIV UND BELOHNUNGSBASIERT ARBEITENDEN TRAINERS (siehe Cooper et al., 2014, die herausfanden, dass positives und belohnungsbasiertes Training bei der Änderung des Jagdverhaltens wirksamer ist als aversive Trainingsmethoden; De Castro et al. 2020 - die verschiedene Trainingsansätze und die Auswirkungen auf die Physiologie des Hundes und das Stressverhalten untersuchten).

 

Also beobachten Sie Ihre größeren Hunde im Verhalten mit kleineren Hunden – ja, für den Halter eines großen Hundes sind es oft die kleinen Hunde, die „ALL DAS“ sind, mit einer riesigen „ATTITÜDE“, aber es ist wichtig, dass Sie als Besitzer sich der Möglichkeit des Umschaltens bewusst sind und nach Signalen Ausschau halten, die in der „Körpersprache“ offensichtlich werden.  

 

Ich hoffe, das war nicht zu erdrückend? Ein informierter und sensibilisierter Hundebesitzer ist die Zeit wert, die es gedauert hat, diesen Artikel zu recherchieren und zu schreiben.   

 

 © Catherine Phoenix Hallam MSc 27.05.2021 

Referenzen 

Cooper, J.J., Cracknell, N., Hardiman, J., Wright, H. and Mills, D. (2014) ‘The Welfare Consequences and Efficacy of Training Pet Dogs with Remote Electronic Training Collars in Comparison to Reward Based Training.’ PloS One 9 e102722 https://doi:10.1371/journal.pone.0102722 

Coppinger, R. and Coppinger, L. (2001) Dogs: A Startling New Understanding of Canine Origin, Behavior and Evolution. New York, USA: Scribner. 

Serpell, J. (ed) (2005) The Domestic Dog: Its Evolution, Behavior, and Interaction with People. Cambridge: Cambridge University Press.  

Panksepp, J. (2004) Affective Neuroscience: The Foundations of Human and Animal Emotions (Series in Affective Science).’ USA; Oxford University Press 

Panksepp, J. and Biven, L. (2012) The Archaeology of Mind: Neuroevolutionary Origins of Human Emotion. USA: W.W. Norton and Co.  

Vieira de Castrol, A.C., Fuchs, D., Morello, G.M., Pastur, S., de Sousa, L. and Olsson, I.A.S. (2020) ‘Does training method matter? Evidence for the negative impact of aversive based methods on companion dog welfare.’ PloS One 15 e0225023 https://doi.org/10.1371/journal.pone.0225023  

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Link zum Originaltext: https://www.facebook.com/100048626205408/posts/311328790497992 

 

Übersetzung von Alexa von Roden, Übersetzungsfreigabe liegt uns vom Originalautor vor.