Hunde spiegeln unsere Emotionen ...

Menschliches Verständnis von der Wahrnehmung der Hunde:  Wie es das Tierwohl negativ beeinflusst, wenn die Bedürfnisse des Tiers nicht berücksichtigt werden.

Wie viel tragen menschliche Emotionen dazu bei, wie Tiere – und besonders Hunde – funktionieren, reagieren und sich verhalten? Laut Experten in Tierschutz, Tiermedizin und Verhaltensforschung spielen diese eine sehr große Rolle nicht nur dabei, wie Hunde auf ihre Besitzer reagieren, sondern auch auf ihre Umwelt. In vorhergehenden Artikeln haben wir die Vermenschlichung von Tieren betrachtet, auch Anthropomorphismus genannt, und einige der Einflüsse, die diese auf Haustiere haben kann. Aber wie viel von diesem alarmierenden Trend nehmen die Hunde am Menschen wahr, und wie beeinflusst das nicht nur ihre Gesundheit und ihr Glück, sondern auch ihre Persönlichkeit, wie sie sich ihren Besitzern darstellt? Wie wirken sich menschliche Erwartungen auf ein Tier aus, und wie wird das Tier in seinen Verhaltensweisen und Routinen wahrgenommen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen menschlichen Emotionen und Erwartungen an das Verhalten des Tiers und der tatsächlichen Persönlichkeit dieses Tiers, oder geht die Persönlichkeit unter in menschlicher Manipulation, sei sie beabsichtigt oder nicht?

Hundetrainer und Autor des Buches „Your Dog Is Your Mirror“, Kevin Behan, erklärt: „…Verhalten und Emotionen eines Hundes, ja sogar seine Wahrnehmung, werden von unseren Emotionen gesteuert. Der Hund reagiert nicht darauf, was der Besitzer denkt, sagt oder tut, sondern er reagiert darauf, was der Besitzer fühlt.“

Wie beeinflusst das unsere Entscheidungen bei der Adoption, oder, in manchen Fällen, tatsächlichen „Rettung“ eines Tiers, und wie beeinflussen unsere Erwartungen, wie das Tier sein wird, wenn es in eine neue Umgebung versetzt ist?

In der Einleitung der Studie „Anthropomorphism and Its Adverse Effects on the Distress and Welfare of Companion Animals“  von Dr. Díaz-Videla heißt es: „Häufig wird anthropomorphes Verhalten nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, sondern durch das menschliche intrinsische Bedürfnis, mit jemandem eine Beziehung einzugehen, der leicht verständlich ist und der uns leicht versteht. Dies kann zu Voreingenommenheit in der Interpretation des tatsächlichen Zustands des Tiers führen, welche häufig dahin zielen, das menschliche Bedürfnis nach einem bestimmten Typ der Beziehung zu befriedigen, statt zu versuchen, die tatsächlichen Emotionen, Motivationen und Intentionen des Tiers anzuerkennen, zu verstehen und zu befriedigen.“ Weiter heißt es, „In der Tat können eine ganze Reihe von emotionalen menschlichen Bedürfnissen in der Figur des Begleittiers befriedigt werden.“ Dr. Díaz-Videla beobachtete, dass die Tendenz zu Vermenschlichen durch viele Faktoren angetrieben werden kann: ein Verlangen nach Kontrolle, Einsamkeit, die Befriedigung sozialer Bedürfnisse und emotionale Bindung an nicht-menschliche Gefährten.

Um unsere Greyhoundrasse als Beispiel zu nutzen: Was erwarten die Bewerber für einen neuen Greyhound sich von diesem Hund, und wie viel vom Verhalten des Hundes ist vom Menschen gesteuert und nicht vom Greyhound selbst? Wenn der mögliche neue Besitzer mit der Annahme in den Adoptionsprozess geht, dass der Greyhound vernachlässigt, misshandelt, um sein Leben zu rennen gezwungen, ausgehungert und, gezeichnet von einem Leben in Hoffnungslosigkeit,  „gerettet“ werden muss – wie viel davon ist Wahrheit versus menschliche Erwartung, und wie sehr beeinflusst dies das Verhalten des Hundes und seine Reaktion zu seinem neuen Besitzer und neuen Zuhause? Kann ein in seinem vorhergehenden Leben als Athlet vollkommen zufriedener und gesunder Greyhound anfangen, die Eigenschaften zu zeigen, die der neue Besitzer erwartet? Die Antwort von Experten ist ein eindeutiges JA, sogar bis zu dem Punkt, an dem das Wohlergehen des Greyhounds (oder jedes anderen Tieres in dieser Situation) sowohl physisch als auch psychisch gefährdet ist. **

Stanley Coren, ein bekannter Psychologe und Autor vieler populärer Hundebücher, erklärt, wie dies passiert, indem er sagt, dass Persönlichkeitsmerkmale des Menschen sich in der Wahl des Hundes und in den Erwartungen an das Verhalten des Hundes spiegeln. In dem Artikel „ What Your Dog Says About You“ von Susan Kauffmann heißt es:

„Freundliche, aufgeschlossene Hunde haben gewöhnlich umgängliche, aufgeschlossene Besitzer, während reserviertere Hunde oft weniger geselligen Personen gehören.“ Cohen sagt in dem Artikel: „Schüchterne  und unsichere Menschen wollen oft einen Hund, der nur ihnen Aufmerksamkeit schenkt und ihnen so bestätigt, dass sie irgendwie besonders sind“. Er geht noch weiter, indem er aufschlüsselt, welcher Personentyp wahrscheinlicher einen Rassehund auswählen würde, verglichen mit jemanden, der aktiv nach einem Hund sucht, der tatsächlich „gerettet“ werden muss. Er sagt:

„Die methodischere Person würde vermutlich von einem Züchter kaufen. Wenn Sie das getan haben, können wir davon ausgehen, dass Sie nachdenken, bevor Sie handeln, und dass Sie ein Mensch sind, der deutliche Vorlieben hat.

Dann gibt es die Menschen, die Streuner retten oder Hunde aus Tierheimen adoptieren. Diese Menschen sind in der Regel mitfühlend und haben keine Angst, Risiken einzugehen oder sich bei Entscheidungen von ihren Gefühlen leiten zu lassen." ***

Zwar gibt es bei seriösen Züchtern und Besitzern von Rassehunden keinen Mangel an Mitgefühl, aber es spielen weitere Faktoren in den Entscheidungsprozess als lediglich Emotionen und die Erwartung, dass ein neues Haustier sich wie ein „Geretteter“ VERHALTEN sollte. Tiere, die sich wirklich in solchen Situationen befinden, verdienen neue und bessere Leben, mit Besitzern, die bereit sind, Risiken einzugehen, und die unendliche Geduld bei der Rehabilitation von Geist und Körper dieser hilfsbedürftigen Tiere an den Tag legen. Menschen mit einem solchen Mitgefühl verdienen Respekt und Bewunderung. Jedoch kommt nicht jedes Tier, das in einen Tierheim landet, aus solch einer schlimmen Situation, und nicht jedes Tier, das adoptiert wird, wird aus einem Leben „gerettet“, das es nicht genossen hat,  inklusive Rassehunde mit einem angeborenen Drang zu rennen, zu jagen, zu apportieren, etc.

Welche Rolle spielt all dies bei der Entscheidung für ein neues Haustier, und wo liegt die Grenze zwischen der Suche nach einem erwünschten Haustier, das zum eigenen Lebensstil passt, und den besonderen Situationen, in denen ein Tier wirklich "gerettet" werden muss?

Wie kann man sicher sein im Hinblick darauf, dass Hunde erwiesenermaßen sehr geschickt darin sind, menschliche Emotionen zu spiegeln und dass Menschen unterschiedliche Motivationen und Erwartungen an das neue Haustier haben, das sie sich in ihr Leben und Zuhause holen, dass Tiere mit der richtigen Absicht und in das richtige Zuhause vermittelt werden? Wo ist der wissenschaftliche Nachweis,  warum Hunde sich so verhalten wie sie es tun, sobald sie adoptiert sind? Wenn Menschen ein neues Haustier in ihr Leben bringen, inwieweit geht es um das Glück DER TIERE anstatt um das Spiegeln menschlicher Bedürfnisse nach Bestätigung, Akzeptanz und den erwarteten Ergebnissen? Wann hört es auf, um den Menschen zu gehen anstatt um das Tier? Marc Bekoff, Ph.D, stellt die Antwort in „Psychology Today“ vor, wo er enthüllt, dass Cortisolwerte der Schlüssel sind. Cortisol findet sich sowohl bei Hunden als auch Menschen. Bei Hunden wird Cortisol in den Haaren gespeichert. Hunde können tatsächlich menschliche Emotionen wahrnehmen und nachahmen.  Das bedeutet jedoch nicht, dass SIE einen erhöhten Cortisolspiegel haben, der dem des Menschen gleicht. Tatsächlich bleibt der Cortisolspiegel des Hundes, wenn er gemessen wird, niedriger als der des Menschen, wenn die Bedürfnisse des Hundes erfüllt werden, sondern er stattdessen "spiegelt", was er beim Menschen wahrnimmt. Der Cortisolspiegel des Hundes beginnt erst zu steigen, wenn er bekommt, was ihn glücklich macht, sei es Aufmerksamkeit, Streicheln, sanfte oder schmeichelnde Stimmen, oder was auch immer er oder sie als Verstärkung gewollten Verhaltens genießt. Es hat wenig mit den angeborenen Bedürfnissen des Tieres zu tun. Er weist ferner darauf hin, dass es tatsächlich Cortisol-Nachweise gibt, die zeigen, dass Hunde bei bestimmten Aktivitäten, die für das Tier selbst wünschenswert sind, einen eigenen Cortisol-Anstieg erleben. Bekoff  sagt zum Beispiel, dass „das Verhältnis zwischen Cortisolwerten von Hunden und Menschen war bei Wettkampf-Hunden größer als bei nicht an Wettkämpfen teilnehmenden Hunden. Die Forscher vermuten, dass… (dies) an einer stärkeren Bindung liegt, die sich zwischen Wettkampfhunden und ihren Menschen aufgrund des regelmäßigen Trainings für Wettkämpfe entwickelt…“ Es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es andere Faktoren gibt, die außerhalb des Rahmens dieser Studie liegen, wie z. B. rassespezifische Bedürfnisse, die eine eigene Betrachtung verdienen. ****

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wissenschaftliche Nachweise eindeutig zeigen, dass Haustierbesitzer die Bedürfnisse ihres Tiers kennen sollten – einschließlich der rassespezifischen Bedürfnisse, und nicht zulassen sollten, dass das Wohlergehen des Tieres gefährdet wird von vorgefertigten Meinungen darüber, wie das Haustier sein sollte. Wählen Sie mit Verstand und informieren Sie sich. Wählen Sie nicht aus Selbstverherrlichung, indem Sie sich damit brüsten „ ich habe etwas gerettet“. Suchen Sie ein Tier mit Respekt für das Tier selbst aus. Alles andere ist ein Akt egoistischer Unverantwortlichkeit und zeigt ein vollständiges Fehlen von Verständnis und Fürsorge. Das Tier sollte vor allem stehen, BEVOR es in Ihr Zuhause zieht.  

Quellen:

*The Emotional Capacity of Our Dogs and Ourselves by Kevin Behan

**https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8614365/?fbclid=IwAR0mufaGM5MxkDDZrO-FxdQ4XF9oH10p8uG4G6vtptDo8hKcRmMQjnoCfLI

*** https://moderndogmagazine.com/articles/what-your-dog-says-about-you/288?fbclid=IwAR0uq5HAhV4QEjViLT1woEZTz_HF9bBqlgDI8doJZ4VKj1vik4b5DYu6Ao8#:~:text=Friendly%2C%20outgoing%20dogs%20usually%20have,somehow%20special%2C%22%20says%20Coren

**** https://www.psychologytoday.com/us/blog/animal-emotions/201906/dogs-mirror-our-stress-and-we-know-more-about-how-and-why

Von Marc Bekoff, Ph.D

Veröffentlich auf FB von "Real Greyhound Adovocates"