Rehomingprozess

Greyhounds werden aus vielen verschiedenen Gründen "zur Adoption freigegeben" (das sog. Rehoming) und das in allen möglichen Altersklassen - und zwar genau dann, wenn ihre Karriere im Rennsport inkl. teilweise anschließender Zuchtlaufbahn beendet ist (manchmal ist das der Fall, bevor sie überhaupt angefangen hat) und der jeweilige Besitzer/Trainer diesem Hund nicht selber ein Zuhause geben möchte oder kann.

In der Tat verbringen auch sehr viele Greyhounds ihre Jahre als Rentner bei ihren ehemaligen Züchtern/Trainern/Besitzern, aber je nach Aktivitätsgrad im Rennsport kann natürlich nicht jeder Hund behalten werden. Zum einen aus Kapazitätsgründen, aber zum anderen auch, weil er sich vielleicht nicht mit den bereits vorhandenen Haustieren (andere Greyhounds oder Hunde anderer Rassen, Katzen, etc.) versteht, oder auch nicht zum Lebensstil des jeweiligen (Renn-)Vorbesitzers passt. Dies vor allem dann, wenn es sich um sehr sensible Hunde, gar Spooks handelt und der Racing Owner möchte, dass genau dieser Hund in ein ruhiges Zuhause mit festen Routinen vermittelt wird, weil er selber ihm das nicht bieten kann. Im Vordergrund steht das Ziel, dass der Hund seine Rentenzeit in Frieden verbringen kann.

Nun kann man sich natürlich fragen, warum es so viele Greyhounds gibt, sprich, gefühlt so viel gezüchtet wird. Dies ist aber Spekulation und nicht objektiv zu beantworten, wenn man nicht die Hintergründe und auch Zuchtkriterien aller Beteiligten kennt. Mit Zahlen belegt ist, dass die Anzahl der Würfe von Jahr zu Jahr sinkt. Insgesamt wurden im Jahr 2020 nur 1.962 Würfe registriert, im Vergleich zu 2.324 im Jahr 2019. Gehen wir etwas weiter zurück, hat sich die Anzahl der geborenen Greyhounds seit 2007 halbiert. Gesagt sei auch, dass die Rasse gerade durch den Rennsport und die dadurch sehr hohe Anzahl an Greyhounds einen sehr großen Genpool hat und der Inzuchtkoeffizient daher um einiges geringer ist, als bei anderen Hunderassen. Würde der Inzuchtkoeffizient steigen, wäre es wahrscheinlicher, dass die Rasse Greyhound Erbkrankheiten entwickelt, von der sie bisher weitestgehend verschont geblieben ist.

Das Irish Greyhound Racing (ehem. IGB, Irish Greyhound Board) ist halbstaatlich und somit auch ein Wirtschaftszweig, in dem viele Menschen ihren Arbeitsplatz haben, also davon leben und für das weitere Bestehen dieses Wirtschaftszweiges auch züchten.

Über die Anzahl der jährlich geborenen Greyhounds gibt es Statistiken. Eine Statistik aller auf ein Sofa vermittelten Hunde konnten wir zwar offiziell im Internet nicht finden. Für Irland betrachtet hat aber alleine der IRGT (Irish Retired Greyhound Trust) im ersten Halbjahr 2021 (Januar bis Juni) 1.141 Greyhounds vermittelt und auch die Zahlen der anderen irischen Organisationen sind alles andere als gering. Und diese Zahlen sprechen für sich: Greyhounds machen sich wunderbar als Haustier und aufgrund ihrer Vielfältigkeit kann nach mehr oder weniger langer Suche für fast jeden ernsthaften Interessenten der passende Hund gefunden werden.


Wie funktioniert das Rehoming in Irland?

An erster Stelle gibt es die Rehoming Organisation der Racing Industry, den Irish Retired Greyhound Trust (IRGT). Dieser bietet den aktuellen Trainern/Besitzern (Racing Connections) der zu vermittelnden Greyhounds eine Plattform, um ihre Hunde vorzustellen und sie somit für andere, zum großen Teil ausländische Organisationen sichtbar zu machen. Mehr und mehr finden sich aber auch Adoptanten in Irland, da die Vorzüge von Greyhounds als Haustieren dort mittlerweile auch verstanden wurden und somit auch mehr und mehr Greyhounds in Irland ihren Sofaplatz finden.

Racing Connections, die ihre Hunde über den IRGT zur Vermittlung melden, können ihre Hunde entweder so lange bei sich behalten, bis sie gebucht sind und der Tag der Abreise gekommen ist. Sämtliche Tierarztbesuche und weitere Vorbereitungen sind bei dieser Variante also durch das aktuelle Zuhause vorzunehmen. Vor allem Züchter/Trainer mit wenigen Hunden wählen diese Variante sehr oft. Oder sie übergeben ihre Ex-Racer an die sogenannten Rehoming Kennels des IRGT, in dem sie die Zeit bis zur Buchung und Abreise verbringen und auch auf ihr neues Zuhause vorbereitet werden.

Einzelheiten des IRGT Rehoming Programms finden Sie hier: https://www.grireland.ie/Resource/greyh ... greyhound/

Das Konstrukt des Rehomings findet so oder so ähnlich auch bei anderen irischen Organisationen Anwendung. Viele davon haben das Wort Welfare (Tierschutz) oder Rescue im Namen, ein Tierschutz im Sinne von "gerettet werden müssen" ist aber beim Großteil der Hunde nicht erforderlich, sondern "nur" das Finden eines geeigneten Zuhauses für die nun folgenden Jahre als Rentner-Greyhound.

Hier gibt es die Tierschutzorganisationen bzw. Tierheime (Shelter), die teilweise finanzielle Unterstützung von Greyhound Racing Ireland (ehem. IGB/Irish Greyhound Board) erhalten, und zwar zum einen in Form von wiederkehrenden größeren Beträgen, aber auch in Form einer finanziellen Beteiligung an jedem einzelnen zu vermittelnden Hund nach in obigem Link beschriebenen Muster  (ohne dass das Board dies öffentlich kommuniziert) und sich zusätzlich über eigene Mittel und Spenden aus dem In- und Ausland finanzieren. Es gibt aber auch Tierschutzorganisationen, die jegliche Unterstützung des Rennsports ablehnen und sich ausschließlich aus eigenen Mitteln und Spenden über Wasser halten.

Darüber hinaus gibt es auch Shelter/Organisationen, die den zu vermittelnden Greyhound zwar in ihrem Portfolio anbieten. Tatsächlich befindet sich der Greyhound aber bis zur Buchung und Abreise im gewohnten Zuhause seines Züchters/Trainers, der zum Teil auch die Tierarztkosten vollständig trägt.

Um sich ein genaues Bild über sein zukünftiges Haustier machen zu können, geben viele irische Organisationen  im Vermittlungsprofil sehr umfangreiche Informationen zum Hund: Racing Name (so kann man nachschauen, ob/wieviele Rennen/Coursings gelaufen wurden und auch, ob es Würfe gibt) und Pet Name/Rufname, auf den er aktuell hört (hier ist übrigens nicht selten die Aussprache zu beachten), Geburtsdatum, Ohr-Tattoos und teilweise auch Microchipnummer, Größe und Gewicht, Charaktereigenschaften im bisherigen Zuhause und auch eventuelle Rennverletzungen bzw. gesundheitliche Mängel. So kann sich der Adoptant ein relativ genaues Bild vom Hund machen und entscheiden, ob er genau diesen Hund adoptieren möchte, oder besser weiter auf die Suche geht.


Und wie kommt der Greyhound zur irischen Orga?

Viele Organisationen sprechen landesweit aktiv die Racing Connections an, um Hunde zum Rehomen zu erhalten und rufen eine Vermittlungsprovision auf, die in Form einer Spende entgegengenommen wird und woraus dann die Vorbereitungen ganz oder teilweise bestritten werden. Oder sie werden von den Racing Connections angesprochen, um die zu vermittelnden Hunde auf ihre Warteliste zu setzen.

Es gibt Organisationen, die eigene Rehoming Kennels haben. Es gibt aber auch Organisationen, die die Hunde hauptsächlich auf privaten Pflegestellen unterbringen oder sie vereinzelt auch im eigenen Haus aufnehmen, bis sie vermittelt sind. Je nach Platz, je nach Möglichkeiten. Und dann gibt es die Shelter, die man sich vom Konstrukt her wie ein Tierheim bei uns vorstellen kann, nur eben optisch etwas weniger ansprechend. Ob aber nun Racing Kennel, Welfare Kennel oder Shelter: Die Hauptsache ist ein warmer, trockener und sauberer vorübergehender (Schlaf-)Platz für den Greyhound und das sollte überall der Fall sein. Die einen schlafen auf Plüsch, die anderen auf Stroh (Stroh ist keine Abwertung, im Gegenteil kann es sehr gemütlich und wärmend sein).

Wenige Greyhounds finden auch über die sog. Dog Pounds, nicht selten über Dog Wardens den Weg in die Vermittlung über die Tierschutzorganisationen bzw. Tierheime. Umfangreiche Informationen zu den Dog Wardens finden Sie auf der Webseite der Irish Society for the Prevention of Cruelty to Animals (ISPCA) https://www.ispca.ie/useful-info/dog-warden-info/

Offizielle Zahlen aus den Dog Pounds finden Sie hier: https://www.gov.ie/en/collection/879d4c-dog-control-statistics/

Für das Jahr 2019 waren demnach in Irland insgesamt 9.103 Hunde (inkl. Lurcher) in einem Dog Pound, 398 davon mussten aus verschiedenen Gründen eingeschläfert werden. Dagegen waren nur 59 Greyhounds in 2019 in einem Dog Pound, von denen 5 aus verschiedenen Gründen eingeschläfert wurden. Von jedem, der einen Hund in einem Dog Pound abgibt, werden die persönlichen Daten erfasst.

Warum werden nun die einen Hunde über den IRGT vermittelt, die anderen aber über eine Tierschutzorganisation oder gar ein Tierheim? Vielen Iren ist es wichtig, dass ihr Ex-Racer ein gutes Zuhause erhält und so wird die jeweils favorisierte Organisation zu diesem Zweck in Anspruch genommen. Einige gehen den einfachsten Weg und der Hund ist direkt in der nächsten Station. Andere erledigen alle täglichen Arbeiten rund um den Hund zum Tag der Abreise weiterhin selber bis. Wie sie es eben wollen oder auch können (nicht zuletzt auch aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen oder altersbedingt).

Eine befreundete Tierschützerin aus Irland erklärte den von ihr gelebten Prozess wie folgt: Sowohl der Trainer, als auch das Board unterstützen das Rehoming des jeweiligen Hundes finanziell, der Trainer hierbei mittels einer Spende. Nicht immer ist durch diesen Betrag von knapp 180-200 Euro pro Hund die Vorbereitung bis zur Ausreise finanziert, da einige Hunde eine Zahnsanierung oder auch Röntgenaufnahmen benötigen. Manche Trainer möchten, dass der Hund sofort von der Orga aufgenommen wird. Andere behalten sie für ein paar weitere Wochen oder eben solange, bis ein Platz im Rehoming Kennel freigeworden ist. Manche Greyhounds sind in perfekter Verfassung, manche weniger. Unter dem Strich muss man wirklich sagen, dass die meisten Trainer einfach nur ein gutes Zuhause für ihren Rentner Greyhound haben möchten und sehr nett und kooperativ sind.


Und wie funktioniert das Rehoming in Deutschland?

Die deutschen Tierschutzorganisationen, die Greyhounds vermitteln, haben einen oder mehrere Ansprechpartner in Irland, über die sie die Hunde beziehen. Nicht jede deutsche Organisation arbeitet mit jeder irischen Organisation zusammen. Viele irische Organisationen, u.a. der IRGT, arbeiten aber mit mehreren deutschen/ausländischen Organisationen zusammen. Je nach Bedarf oder Vermittlungsziel wird eine Anzahl an Hunden auf der eigenen Internetseite zur Vermittlung aufgenommen. Dies geschieht entweder exklusiv für die eine deutsche Organisation, oder eben für mehrere ausländische Organisationen und dort, wo der Hund als erstes einen ernsthaften Interessenten findet, wird er auch hin vermittelt.

Ein Greyhound, der über Organisationen vermittelt wird, wird immer kastriert (sofern gesundheitlich möglich), geimpft (bei Verlassen des Landes ist vor allem die Tollwutimpfung relevant, die mindestens 21 Tage vor der Ausreise vorgenommen werden muss) und maximal zwei Tage vor Ausreise dem Amtstierarzt vorgestellt, der einen allgemeinen Gesundheitstest vornimmt und entscheidet, ob der Hund aktuell gesundheitlich in der Lage ist, die teilweise doch recht lange Reise anzutreten. Am Abreisetag wird der Hund darüber hinaus provisorisch entwurmt und gegen andere Parasiten (Flöhe) behandelt. Je nachdem, bei welcher irischen Organisation der Hund war, kommt er durch und durch sauber gepflegt hier an, oder eben in weniger repräsentativem Zustand.

Gefällt Ihnen ein auf der Internetseite einer Tierschutzorganisation angebotener Greyhound, nehmen Sie mit dieser Kontakt auf. Es werden Gespräche folgen und eine sogenannte Vorkontrolle durchgeführt, um Ihre Eignung als Greyhoundbesitzer bestenfalls positiv zu bescheinigen.

Kennen Sie selber direkt oder indirekt einen/mehrere Trainer in Irland gut und wissen, dass man sich auf ihre Aussagen verlassen kann und sind auch selber absolut gewillt, zu dem auserwählten Tier zu stehen und es im Zweifel so zu nehmen, wie es ist (diese Einstellung sollte man allerdings auch haben, wenn man sich über eine Organisation für einen Greyhound entscheidet, weil viele Wochen bzw. Monate "auf Probe" keinem Greyhound gut tun, der dann wieder gehen muss), können Sie auch auf privatem Wege einen irischen Greyhound adoptieren. In diesem Fall müssen alle Vorbereitungen inkl. Transport selbständig geregelt werden und Sie haben natürlich nicht den "doppelten Boden", den Ihnen eine seriöse Tierschutzorganisation im Sinne einer "Rückgabemöglichkeit" bieten sollte, sollte der/die Auserwählte doch nicht passen.

Den Microchip erhält der registrierte Greyhound, der an seinen Ohr Tattoos zu erkennen ist, übrigens bereits im Welpenalter. Weitere Informationen zum Registrierungsprozess können Sie hier nachlesen: https://info-hz.de/greyhound/viewtopic. ... ity#p82303


Schlusswort

Da Greyhound Racing außerhalb der Racing Industry einen gefühlt weniger guten Ruf hat, wenn man die Materie nicht kennt, sei hier abschließend angemerkt, dass es natürlich überall schwarze Schafe gibt, die ihren "gescheiterten" Racer lieber tot als lebendig sehen möchten. Aber diese stellen die Minderheit dar und für genau solche Fälle, aber auch für andere tierwohlrelevante Themen hat das Board eine Whistleblower Hotline (Greyhound Careline, https://www.grireland.ie/Resource/greyh ... -careline/) eingerichtet und jeden, der um solche Missstände weiß, darum gebeten, diese anzuzeigen.

Missstände können nur dann geprüft und behoben werden, wenn sie gemeldet werden. Daher ist es unbedingt notwendig und wichtig, dass die Hotline genutzt wird, wenn Fälle gegen das Tierwohl sicher bekannt sind. Niemand kann Veränderungen erwarten, wenn diese nicht von jedem einzelnen auch gewollt sind.

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